Das Bognerhandwerk in Wiener Neustadt

Anfangs waren die Handwerker meist freischaffend, ehe sie in der Spätgotik als Meister einen eigenen Handwerkerstand darstellten. Auf Basis zeitlich begrenzter Arbeitsverträge mussten jährlich ein bis zwei Armbrüste geliefert werden. Zudem waren die Waffen der Obrigkeit zu betreuen und im Kriegsfall ins Feld mitzugehen. Wurde eine Überproduktion erreicht, so musste diese zuerst dem Dienstherren angeboten werden. Erst wenn dieser ablehnte, durfte die Waffe frei verkauft werden. (vgl. Harmuth, S. 74 f)

Während den Wiener Bognern, gemeinsam mit den Pfeilschnitzern und Kurbaunern (Köchermachern), in einem Freibrief vom 19. Mai 1366 „alle Freiheiten, Rechte, Gnaden und Gewohnheiten, welche sie von früheren Herzögen erhalten hatten„, bestätigt wurden, erhielten die Wiener Neustädter Bogner erst am 11. September 1481 eine Zeche und Bruderschaft. Sie wurde vom damaligen Bürgermeister Wolfgang Schandl auf deren Bitte zu Ehren des heiligen Sebastian eingerichtet. Inhaltlich ähnelt „Der pogner freiheit“ früheren Bestimmungen aus Wien, in welchen der Freibrief von 1366 in den Jahren 1438 durch König Albrecht II. und 1445 durch Friedrich III. erneuert und teilweise erweitert wurde. (vgl. Richter, S. 142 f)

In den ersten Bestimmungen regelte „Der pogner freiheit“ wie man Meister wurde. Dazu bedurfte es, dass man zumindest ein viertel Jahr als Geselle bei einem Meister im Dienst stand. Hatte ein Geselle mit „wissen und ratt des meisters“ geheiratet, durfte er vorerst weder sein Handwerkszeichen and der Werkstatt anbringen noch Diener aufnehmen. Er hatte seine Fähigkeiten durch die Herstellung einer eigenen Armbrust ohne fremde Hilfe zu beweisen und von den Meistern begutachten zu lassen. Weiters musste er mit Brief und Sigel beweisen, dass er „erlich geporn sei, desgleichen daz er von seinem lermaister das hantwerch redlich ausgelernet hab„. Nach einem auszurichtenden Mahl für alle Meister und Gesellen des Bognerhandwerks wurde die neue Armbrust vorgestellt und sein Handwerkszeichen von den übrigen Gesellen ausgehängt. Am nächsten Ratstag wurde der Anwärter den Ratsmitgliedern vorgestellt und gebeten, ihn als „mitwonner“ aufzunehmen. Nun hatte der junge Meister dem Bürgermeister, dem Rat und der Stadt eidesstattlich zu schwören „getrew, gehorsam und gewertig zu sein, als sich gepurt„. In weiterer Folge musste die hergestellte Armbrust der Stadt überlassen werden.

Eine weitere Bestimmung regelte, dass es nicht erlaubt war, sich gegenseitig Arbeiter abzuwerben.

Wurde ein Meister oder Geselle überführt, eine alte Armbrust für eine neue ausgegeben und dabei eine hölzerne Leiste in den Bogen eingesetzt zu haben, so wurde ihm das Handwerk aberkannt.

Schließlich war es Meistern und Gesellen bei Strafe untersagt, an Armbrüsten mit Stahlbogen Reparaturen oder sonstige Arbeiten vorzunehmen. (nach Böheim 1886, Nr. 3336)

Wie alle anderen Handwerker und Bürger mussten die Wiener Neustädter Bogner im Anlassfall ihre Stadt, samt den Vorstädten, verteidigen. Entsprechend der am 2. November 1455 erlassenen Kriegsordnung verfügte die Stadt über eine waffenfähige Bürgerschaft von mehr als 600 Mann und zusätzlich waren 192 Handwerksknechte nach Zünften zu verzeichnen. Für jedes Stadtviertel gab es zwei Viertelmeister, welchen 50 bis 60 Bürger in Rotten zu 7 bis 10 Mann unterstellt waren. Neben einer Reserve wurden Tore und Zwinger besetzt. Der Rest wurde auf den Wehrgängen und Türmen aufgeteilt. Jeder Turm war zumindest mit einer Haken-, einer Handbüchse, einer Armbrust und zwei Schlegelhacken bestückt. Die Verteidiger der Mauern und des Zwingers waren zur Hälfte mit Büchsen und Armbrüsten und zur anderen Hälfte mit Spießen und langen Schlegelhacken ausgerüstet. (vgl. Luschin-Ebengreuth S. 126 f)

Wieviele Bogner im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts in Wiener Neustadt ansässig waren, vermag nicht mit Sicherheit gesagt zu werden. Einblicke gewähren jedenfalls die von Wendelin Böheim und Josef Mayer aufgearbeiteten Urkunden und Regesten aus dem Stadtarchiv und dem K. K Kreisgericht von Wiener Neustadt (siehe Böheim 1886 und Mayer 1893) sowie die bereits erwähnte Kriegsordnung. Letztere nennt als „Virtaylmeister Trinitatis“ neben Caspar Guetentag einen „Taman Pogner“ (vgl. Luschin-Ebengreuth S. 128). „Taman“ oder „Thoman der Bogner“ schein zwischen 1450 und 1473 immer wieder als Mitglied des Stadtrates und als Zeuge in Testamenten oder Freundschaftsbeweisen auf. Ab 1467 führt er neben seiner Berufsbezeichnung den Beinamen „Öder“ bzw. „Oeder„. „Thomann Oeder“ ist auch das umfangreiche Testament vom 30. März 1473 zuzuschreiben, in welchem mitunter sein vollständiges Werkstätteninventar angeführt wird.

Entsprechend der Kriegsordnung mussten sich im Alarmfall die „[…] ix pognerknecht zu maister Merten Pogner“ begeben (Luschin-Ebengreuth S.132). „Mert“ oder „Mertten der Bogner“ ist bis 1475 nachweisbar.

Zwischen 1458 und 1461 erscheint ein „Hanns der Bogner“ als Testaments- und Freundschaftsbeweiszeuge.

Von 1466 bis 1487 ist ein „Bogner Kristoff Peuger / Cristoff Pewger“ genannt. Er erscheint mehrmals als Testamentszeuge, Käufer von Häusern und Mitglied des Stadtrates. 1478 erhält er die Schlüssel zum Wienertor.

1473 erwirbt „Kristan, Pogner“ ein Haus. 1474 wird dem „Bogner Meister Christian“ der Wienertorturm überantwortet, um die darin befindlichen Waffen instand zu halten.

Ab 1481 findet sich „Peter, Bogner“ und Bürger und im Oktober dieses Jahres wird „Peter Turckhaim, Bogner,“ zum Zeugmeister der Stadt bestellt. 1485 setzt er sein Frau als Erbin ein, die das gemeinsame Haus 1487 als Witwe verkauft.

1483 erwerben „Gall Gruntner, pogner“ und seine Frau das Viertel eines Hauses im Deutschherrenviertel.

1487 erhalten „Symon Pewger, pogner“ und seine Frau die Hälfte des Hauses des verstorbenen „Cristoffen Pewger„.

Zusammengefasst lassen sich somit zwischen 1450 bis zur Mitte der 1480er Jahre durchwegs drei oder zumindest zwei zur gleichen Zeit tätige Bogner in Wiener Neustadt nachweisen.

Literatur

Böheim, Wendelin: „Urkunden und Regesten aus dem Stadt-Archive zu Wiener-Neustadt.“ In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Wien 1886. IV – LXVI.

Böheim, Wendelin: „Regesten aus dem Archive des K. K Kreisgerichtes zu Wiener-Neustadt.“ In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Wien 1886. LXVIII – XCI.

Harmuth, Egon: Die Armbrust – ein Handbuch. Graz 1986.

Luschin-Ebengreuth, Arnold: „Kriegsordnung des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg für Wiener-Neustadt.“ In: Berichte und Mittheilungen des Altertthumsvereines zu Wien, Wien 1875. S. 123-132.

Mayer, Josef: „Urkunden und Regesten aus dem Stadt-Archive zu Wiener-Neustadt.“ In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Wien 1893. IV – LXVI.

Richter, Holger: Die Hornbogenarmbrust – Geschichte und Technik. Ludwigshafen 2006.

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