Geschichte der Armbrust
Die Geschichte der Armbrust lässt sich bis in die vorchristliche Zeit zurückverfolgen. Egon Harmuth geht in seinem Standardwerk über die Armbrust von zwei getrennten Entwicklungen in Europa und China aus. In der Antike verwendeten die Griechen ein, lediglich in Schriftquellen überliefertes, „Gastraphetes“. Dieser „Bauchspanner“ oder dieses „Bauchgewehr“ wird als älteste Armbrustart in Europa angesehen. Auch den Römern war die Armbrust bekannt, was Darstellungen auf kaiserzeitlichen Steinreliefs aus Südfrankreich bezeugen. Vor der Romanik trat die Armbrust kaum in Erscheinung. Seltene Bodenfunde aus England belegen ihre Existenz im 8. und 9. Jahrhundert (Abb. 1). Weiters zeugen einige Schriftquellen sowie die gegen Ende des 10. Jahrhunderts entstandenen Miniaturen des Haimo von Auxerre von der Verwendung der Armbrust. (vgl. Harmuth, Egon: Die Armbrust. Graz 1986. S. 13ff)

Während der Romanik häufen sich die Schrift- und Bildquellen. Vor allem die Genueser Armbrustschützen sind zu einem militärischen Begriff geworden und so fehlen sie nicht beim ersten Kreuzzug (1096-1099). Trotz der Verwendung eines Holzbogens und dem ausnahmslosen Fehlen des Steigbügels (Abb. 2), soll die Durchschlagskraft ihrer Geschoße enorm gewesen sein. So berichtet zumindest Anna Comnena in ihrem Werk „Alexias“, dass dicke Pfeile den dicksten eisernen Harnisch durchdringen und einen Getroffenen überraschend zu Boden strecken. Noch zu Lebzeiten Annas wird am zweiten Lateranischen Konzil 1139 die Verwendung der Armbrust gegen Christen vom Papst verboten und später von Papst Innozenz III. gegen den englischen König Richard I. und Philipp August von Frankreich erneuert. Die Form der romanischen Armbrust zeigen zeitgenössische Minaturen. Sie verfügt über einen langen, wohl hölzernen Bogen mit einer Länge von über einem Meter und eine verhältnismäßig kurze Säule. Ihr Auslösemechanismus – das Armbrustschloss – befindet sich in hinteren Säulenhälfte, wodurch sich in Kombination mit den Bogen ein sehr langer Sehnenweg ergibt. Durch den fehlenden Steigbügel musst der Schütze für den Spannvorgang den Bogen mit beiden Beinen halten und die Bogensehne mit den Armen nach Hinten ziehen. (vgl. Harmuth, S. 23ff)

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde die Konstruktion der Armbrust perfektioniert. Die Einführung des Steigbügels erleichterte den Spannvorgang und den Einsatz kräftigerer Bögen. Die erste mechanische Spannhilfe in Form des Spanngürtels ermöglichte es die Armbrust mittels der kräftigeren Beinmuskulatur zu spannen. Ebenfalls zu Beginn des 13. Jahrhunderts tauchen in italienischen Schriftquellen die ersten Horn- bzw. Hornkompositbögen auf. Anstelle von Holz wurde dafür tierisches Material verwendet. Es gelangten Horn und Sehnen in Kompositbauweise zum Einsatz.
Besaß die romanische Armbrust noch eine kurze Säule, so setzte in der Gotik eine Verlängerungstendenz ein und das Armbrustschloss wanderte in das vordere Säulendrittel. Die ursprünglich hölzerne oder beinerne Abzugstange war nunmehr aus Metall. Im Laufe des 14. Jahrhunderts kam mit dem Seilrollenspanner eine weitere Spannhilfe auf. Hier ermöglichte eine Umlenkrolle am Spannhaken eine Verdoppelung der vom Schützen aufgebrachten Zugkraft. Während sich in Westeuropa die Bolzenrinne bewahrte, entwickelte sich in Mitteleuropa eine neue Form ohne Bolzenrinne. Diese Spaltung war im 15. Jahrhundert vollkommen abgeschlossen. Neben den Seilrollenspannern tauchen unter der Nutzung des gleichen Prinzips Riemenrollenspanner und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die ersten Zahnstangenwinden auf. Sie ermöglichen den Einsatz kräftiger und voluminöser Bögen, welche immer noch aus Horn und Sehnen bestanden, ehe sie ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts allmählich durch Stahlbögen ersetzt wurden. Die Verwendung kräftiger Bögen und ihrer Spannhilfen erforderte wiederum eine Anpassung der Armbrustsäule. Sie wurde wieder kürzer und gedrungener um den extremen Belastungen im Schlossbereich Stand zu halten. Im 16. Jahrhundert wurde die mitteleuropäische Armbrust noch gedrungener und kürzer. Dabei rückte die im Faden laufende Nuss bzw. das neue Klappenschloss nahezu in die Säulenmitte. Aus dem Steigbügel wurde ein kleiner Ring um die Waffe aufzuhängen. Das hintere Ende der Säule wurde leicht abgewinkelt und zu einem Backenstück abgeflacht. Die mittlerweile unbewegliche Abzugstange diente lediglich dem Schutz des mehrachsigen Stecherschlosses und als Fingerhalt. Bei der westeuropäischen Armbrust blieben die Bolzenrinne und die lange Säule erhalten. Der Stahlbogen wurde nicht eingebunden, sondern mittels Bogeneisen in der Säule fixiert. Gespannt wurde dieser Typ vorwiegend mit der Seilwinde oder dem Geißfuß. Die Nuss besaß keinen Nussfaden sondern war lediglich freispielend in ihr Lager eigesetzt. (vgl. Harmuth, S. 32ff)
Die Höchstschussweite einer spätgotische Armbrust lag im Jahre 1435 bei etwa 333m. Bis zum Einzug der Feuerwaffen war die Armbrust neben dem Bogen die dominierende Fernwaffe des Mittelalters, die sich auch bei der Jagd großer Beliebtheit erfreute. In der Neuzeit wandelte sich ihre Verwendung von der Waffe zum Sportgerät von Schützengesellschaften und blieb auch für die Jagd weiterhin in Gebrauch.